Georg Kraut wurde am 05.10.1870 in der Burgstraße 30 (heute Burgstraße 28) in Hildesheim von Georg und Auguste Kraut, geb. Hoppenstedt, geboren. Zusammen mit seinen vier Geschwistern Anne (*1866), Carl (*1867), Luise (*1868) und Wilhelm (*1879) Kraut wuchs er in einer lutherischen Juristenfamilie auf. Ab dem Jahr 1877 ging Georg Kraut auf das Gymnasium Andreanum, wo er in der Septima einstieg, diese aber ein Jahr später wiederholte, und später seine Reifeprüfung ablegte und mit dem Wunsch, Soldat zu werden, abging.
Nach der Schule machte er beim 6. Thüringischen Infanterie-Regiment 95 eine Ausbildung zum Oberstleutnant, bis er im Jahr 1906 nach Berlin in das Infanterie-Regiment 167 versetzt wurde, wodurch er die nächsten drei Jahre im Pariser Platz 3 wohnte.
Am 18.11.1909 wurde Georg Kraut in die deutsche Kolonie Deutsch-Ostafrika an den Kilimandscharo versetzt, wo er später auch im Ersten Weltkrieg an der Seite des Oberkommandeurs Paul von Lettow-Vorbeck kämpfte. Für Georg Kraut waren während der Zeit in der Kolonie die Fotografie (er machte viele Farbfotografien) und die Jagd (ein beliebtes Hobby für deutsche Offiziere in Deutsch-Ostafrika) sehr wichtig.
Im Ersten Weltkrieg wurde Georg Kraut schon kurz nach Beginn zum Major und zum Abteilungsführer der Nordabteilung befördert. Später fungierte er auch als Adjutant von Lettow-Vorbeck. Er hatte große Bedeutung für die Anfangsschlacht bei Tanga, bei der die vermeintliche Macht der deutschen „Schutztruppe“ demonstriert wurde und die achtfache britische Übermacht geschlagen wurde. Georg Kraut verteidigte auch in den folgenden Kleinkriegen mit seinen Askari-Kompanien die deutsch-britische Grenze, musste sich aber wie der ganze Rest der „Schutztruppe“ ab der Mitte 1916 in den Süden zurückziehen. Am 25.11.1917 überschritt die deutsche Truppe dann sogar die Grenze im Süden nach Portugiesisch-Ostafrika, wo sie das nächste 3/4-Jahr vor den britischen Truppen floh. Nach dieser nervenaufreibenden Flucht – Krankheiten, Verpflegungsmangel, brennenden Hitze und tagelange Märsche forderte die „Schutztruppe“ – kehrte sie am 30.09.1918 wieder nach Deutsch-Ostafrika zurück, um nur ein paar Tage später in das damalige Rhodesien einzutreten, wo sie auch 2 Tage nach der Kapitulation in Europa von dem Kriegsende erfuhren.
Aufgrund dieser Verzögerung der Kapitulation entstand das Bild, dass die „Schutztruppe“ in Deutsch-Ostafrika noch länger gekämpft hatten als nötig, weswegen sie später als „unbesiegte Helden“ gefeiert wurden. Es entstand auch ein „Askari-Mythos“, der besagte, dass die Askaris der deutschen Truppe bis zum Schluss treu geblieben sind und ihnen dankbar für die Besatzung gewesen wären. Er diente der Beteuerung, dass das Deutsche Reich, anders als in den Wiedergutmachungs-Regelungen behauptet wurde, sehr wohl in der Lage gewesen ist, Kolonien zu führen, und war Teil des „Grundkanon(s) der deutschen Kolonialpropaganda“ während des NS-Regimes.
Bei dem Triumphzug durch das Brandenburger Tor am 02.03.1919 bei der Rückkehr aus der Kolonie ritt Georg Kraut direkt hinter dem Oberkommandeur Paul von Lettow-Vorbeck und dem Gouverneur Heinrich Schnee, was seine hohe Position in der „Schutztruppe“ zeigt.
Lettow-Vorbeck stellte tatsächlich während und auch noch nach dem Krieg einen guten Freund von Georg Kraut dar. So illustrierte Georg Kraut z.B. Lettow-Vorbecks Werk „Heia Safari! Deutschlands Kampf in Ostafrika“, in dem er von seinen Erfahrungen in der Kolonie berichtet, mit den Fotos, die er während des Krieges gemacht hat.
Im Jahr 1920 wurde Georg Kraut aufgrund seiner langen Dienstzeit in Deutsch-Ostafrika schon frühzeitig pensioniert, was dazu führte, dass er sich aktiv in Hildesheim engagierte.
Er wohnte im Krähenberg 13 bei seiner Schwester Luise Kraut und war in verschiedenen Vereinen in Hildesheim wie z. B. im Verkehrsverein, seit der Gründung in der Kriegerkameradschaft des Reichskolonialkriegerbundes und im Gartenbauverein sowie im Hildesheimer Museumsverein und im Hildesheimer Heimatbund. Besonders im Hildesheimer Heimatbund war Georg Kraut sehr aktiv. Er war seit der Gründung des Vereins ein Mitglied und wurde 1958 zum Ehrenmitglied ernannt. Er hielt Vorträge über seine Zeit in Afrika und setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg besonders für den Wiederaufbau des zerstörten Knochenhauer-Amtshauses ein, erlebte allerdings dessen Errichtung nicht mehr.
Er hatte keine Frau (abgesehen von einer Freundin zwischen den Kriegen) und auch keine Kinder. Auch nach seiner Zeit in Afrika war die Fotografie ein wichtiges Hobby von Georg Kraut, was dazu führte, dass er auch im Zweiten Weltkrieg Farbfotos von der Hildesheimer Altstadt machte, die heute noch eine Vorstellung von zerstörten Häusern bieten.
Er reiste 1936 noch einmal kurz nach Afrika und blieb noch lange per Brief mit Askaris in Verbindung. Kraut gründete außerdem ein Afrika-Museum in seiner eigenen Wohnung, wo er Trophäen und Mitbringsel aus Afrika ausstellte und von seiner Zeit in Afrika berichtete.
Georg Kraut starb am 10.12.1964 im Deutsches-Rotes-Kreuz-Altenheim als „Alterspräsident“ des Hildesheimer Heimatbundes, als ältester Offizier Hildesheims und als ältester „Ehemaliger“ des Gymnasium Andreanum im Alter von 94 Jahren.
Er hatte ein vielseitiges und langes Leben, das zum einen aus einem Leben in einer komplett anderen Kultur in Afrika mit Unterdrückung und Ausbeutung, aber auch unter unvorstellbaren Umständen während des Krieges bestand, und zum anderen von künstlerischem Interesse und kulturellem Engagement bestimmt war.
Anne Boltzendahl, Q1 (2020/2021)